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Neonazis unter sich

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Rechtsextreme organisieren ihre Events gerne konspirativ. Doch nicht immer bleibt im Verborgenen, was sie planen. Wie am vergangenen Samstag. So kam es dazu.

Von Sebastian Lipp

Eine Gruppe aus Göppingen wird vom Schleuser zum Konzert beim Kleintierzüchterverein in Bitz gelotst. ©Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de
Eine Gruppe aus Göppingen wird vom Schleuser zum Konzert beim Kleintierzüchterverein in Bitz gelotst. ©Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de

Neonazis bleiben gerne unter sich. Eine kritische Öffentlichkeit, die Polizei, die ihre Gäste kontrolliert, und Behörden, die lästige Auflagen oder gar Verbote erteilen, sollen von ihren Veranstaltungen möglichst nichts erfahren. Deshalb werden vor allem Konzerte immer wieder verdeckt organisiert. Flugblätter werden nur unter der Hand und ohne Ortsangabe an Szeneanhänger verteilt. Wer zum Konzert will, muss eine Art konspirative Schnitzeljagd absolvieren. Doch nicht immer geht diese Geheimniskrämerei auf.

So auch am vergangenen Samstag. Seit einigen Wochen kursierte in der Neonaziszene ein Flugblatt, das einen Auftritt von Szenebands wie Kommando 192, Kodex Frei und Germanium ankündigte – irgendwo „live in Süddeutschland“. Wer es genauer wissen wollte, musste sich per Mail an eine „Sektion SüdWürttemberg“  wenden und erhielt eine Telefonnummer.

Am Tag des Konzertes erfuhren Anrufer dann mehr: Am Abend solle der Parkplatz eines Supermarkts in Gammertingen als Schleusungspunkt dienen. Was der Auskunftsgeber am Telefon nicht wusste: Für Allgäu ⇏ rechtsaußen und den Störungsmelder von ZEIT ONLINE rief auch ein Journalist dort an und erhielt die nötigen Informationen. Stunden vor Beginn der Schleusung kann so ein Rechercheteam den genannten Ort erreichen und auch erfahren, wo die Veranstaltung selbst stattfinden soll – zu einem Zeitpunkt, als dieser Ort noch nicht einmal den anreisenden Gästen bekannt ist.

Informationsbeschaffung

Am Vorabend hatte das Rechercheteam noch bei der Polizei nachgefragt, was man dort über die Veranstaltung wisse. Nichts, lautete die Antwort. Das ändert sich auch bis zum frühen Samstagnachmittag nicht. Der diensthabende Polizeiführer sagt um kurz vor 14 Uhr am Telefon lediglich: „Ich habe keine Info, gar nichts darüber. Wir haben nur Fastnachtsveranstaltungen heute.“ Da trifft das Rechercheteam gerade am Schleusungspunkt ein.

Darauf hingewiesen, was der Auskunftsgeber am Vortag am Telefon sagte, zweifelt der Polizeiführer weiter: „Wenn das gestern schon bekannt gewesen wäre, dann hätte ich die Info auf jeden Fall bekommen. Und wenn ich nichts habe, dann ist da nichts.“ Sind die Rechercheure also doch auf eine geschickte Täuschung hereingefallen? Nachfrage beim Lagezentrum der Polizei in Tuttlingen. „Das ist uns bekannt“, heißt es dort. Man sei auf einen Einsatz „im Bereich Burladingen“ vorbereitet, wisse aber nicht genau, wo das Konzert stattfinden solle.

Die Suche beginnt

Deshalb macht sich das Rechercheteam vom Schleusungspunkt aus auf, am südlichen Rand der Neckar-Alb-Region nach dem Veranstaltungsort zu suchen. Welche Hinweise könnten darauf hindeuten, dass hier ein Rechtsrockkonzert stattfinden soll? In einem Ort treffen sie auf ein Gebäude, dessen Eingang ein Schild mit einem Eisernen Kreuz und der Aufschrift „Deutsches Schutzgebiet“ trägt. Doch es ist nur ein Wohnhaus. Also weiter.

Inzwischen meldet sich die Kriminalpolizei aus Rottweil: Ihr sei „bekannt, dass da ein Konzert stattfinden soll. Aber wir wissen nicht wo.“ Die Rechercheure können es ebenfalls noch nicht sagen. Gegen 16 Uhr kommen sie jedoch nach Bitz, eine 3.600-Seelen-Gemeinde zwischen Siegmaringen und Balingen. Als dort aus der Schwäbischen Hochalbhalle eines Hasenzüchtervereins die Klänge eines Soundchecks dringen, bestätigt sich der Verdacht. Der Veranstaltungsort ist gefunden, die Rechercheure veröffentlichen ihn auf Twitter.

Schon am Nachmittag können wir das Konzert lokalisieren und den Ort veröffentlichen. Die Polizei interessiert sich dennoch kaum. ©Sebastian Lipp
In dieser Halle soll das Konzert stattfinden. ©Sebastian Lipp

Wenig später, gegen 18.30 Uhr, beginnt die Schleusung auf dem Supermarktplatz. Ein Zivilfahrzeug der Kriminalpolizei ist da und auch die Rechercheure sind dorthin zurückgekehrt. Ihnen fällt ein junger Mann auf. Mit Jacke und Bauchtasche der Marke Ansgar Aryan sowie Tarnhose will der tätowierte Glatzkopf nicht so recht zu dem abendlichen Einkaufsgeschehen passen. Ist er der Schleuser? Einige Autos fahren vor. Darin sitzen meist vier oder fünf Personen, die ebenfalls nicht den Eindruck machen, als wären sie zum Shoppen gekommen. Der Glatzkopf geht auf die Wagen zu, spricht mit den Fahrern. Dann fahren sie weiter. Wie sich zeigt in Richtung Bitz.

Neonazis unter sich

So wird rund ein Dutzend Autos weitergeschickt. Die meisten Gäste finden den längst nicht mehr geheimen Veranstaltungsort jedoch ohne den Umweg über die Schleuse. Rund 30 Autos stehen schließlich nahe der Halle, die meisten Kennzeichen stammen aus der Region. Die weiteste Anreise dürfte ein Gruppe aus Vorarlberg in Österreich gehabt haben.

Spät abends sind die Neonazis unter sich. © Sebastian Lipp, allgaeu-rechtsaussen.de
Spät abends sind die Neonazis unter sich. ©Sebastian Lipp, allgaeu-rechtsaussen.de

Auch das Fahrzeug der Kripo ist eingetroffen. Doch die Beamten rücken noch während der Anreise der Rechtsextremen wieder ab, ohne sichtbare Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus zeigte die Polizei an diesem Abend keine Präsenz.

2017 noch hatte ein schwer bewaffnetes Großaufgebot der Polizei ein Konzert zum 15-jährigen Jubiläum der Skinhead-Kameradschaft Voice of Anger im oberschwäbischen Talacker abgesichert. Im vergangenen Jahr stellte die Polizei aus Baden-Württemberg dann für ein weiteres Voice-of-Anger-Konzert ganz in der Nähe nur wenige Streifenwagen ab, um die Anreise der Neonazis zu kontrollieren – obwohl die bayerischen Kollegen das Konzert verboten hatten.

Als es spät wird in Bitz, sammeln sich immer mehr der braunen Musikfans vor dem Gebäude des Kleintierzüchtervereins, manche machen sich auf den Weg in Richtung Dorf oder kommen von dort. Das Konzert will einfach nicht beginnen. Die Musikanlage streikt, eine Band kommt dank einer Autopanne viel zu spät. Das Frustrationslevel scheint zu steigen. Die Rechercheure ziehen sich zurück, es wird zu gefährlich. Die Neonazis sind jetzt unter sich.

Der Beitrag Neonazis unter sich erschien zuerst auf Störungsmelder.


Bayerisch radikal

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Wiesen, Berge, Kühe: Für viele ist das Allgäu bloß eine schmucke Urlaubsregion. Doch in der vermeintlichen Idylle hat sich ein rechtsextremes Netzwerk mit guter Tarnung verbreitet.

Ein Gastbeitrag von Sebastian Lipp

Rechtsextremismus: Hinter der saftig-grünen Fassade im Allgäu steckt ein tiefbrauner Sumpf. Auf diesem idyllischen Hof fand ein Neonazikonzert statt. © Norbert Kelpp
Hinter der saftig-grünen Fassade im Allgäu steckt ein tiefbrauner Sumpf. Auf diesem idyllischen Hof fand ein Neonazikonzert statt. © Norbert Kelpp, allgaeu-rechtsaussen.de

Wenn es um seinen Bauernhof geht, gerät Landwirt Benjamin Burandt ins Schwärmen. Im Internet schreibt er von der „Liebe zu Natur und Landwirtschaft“, die ihn dazu gebracht habe, in seinem Hofladen direkt an seine Kunden zu verkaufen, „dem heutigen Zeitgeist entsprechend“. Eier, Milch und Kesselfleisch von glücklichen Tieren, es könnte nicht schöner, es könnte nicht bayerischer sein als auf dem Lutzhof in Babenhausen, gelegen im nördlichen Allgäu.

Doch der Landwirt hat ein Geheimnis, eines, das Kunden und Geschäftspartner nicht sehen sollen. Burandt ist aktiv in der örtlichen Skinheadszene und spielt als Musiker in einer rechtsextremen Band. Zu den Postkartenmotiven des Allgäus, grüne Wiesen mit Kühen unter blau-weißem Himmel, passt das natürlich nicht. Doch die Region beherbergt die größte noch aktive Skinheadgruppierung in Bayern.

Unauffällig bürgerlich, auffällig rechtsextrem

Seit 15 Jahren macht sich im Allgäu ein Netzwerk namens Voice of Anger breit. Sein fester Kern besteht nach Schätzung des Verfassungsschutzes aus rund 60 Mitgliedern, die tatsächliche Zahl könnte noch ein gutes Stück höher liegen. Die Wurzeln der Gruppe reichen Jahrzehnte zurück. Schon in den Neunzigerjahren zerschlug das bayerische Innenministerium einen ersten Versuch, die Allgäuer Skinheadszene zu organisieren, mit einem Verbot. Nach weiteren erfolglosen Versuchen trat 2002 Voice of Anger auf den Plan, um das heimische Milieu zu einen und zu professionalisieren. Das ist gelungen, wie eine umfangreiche Publikation der Rechercheseite Allgäu ⇏ rechtsaußen zeigt.

Zum Wesen des Netzwerks gehört, dass sein harter Kern und seine Führungskräfte trotz ihres an der Rockerszene orientierten Auftretens bei Gruppenaktivitäten nach außen eine unauffällige bürgerliche Existenz pflegen. Wie Benjamin Burandt. 2001 übernahm er nach eigenen Angaben den Hof seines Großvaters als klassischen Milchviehbetrieb, vor Kurzem kamen Schweinemast und eine Biogasanlage hinzu. Bereits Anfang der Zweitausenderjahre lebte er seine braune Seite aus: Der Neonazi spielte als Schlagzeuger bei der Band Pork Hunters eine Demoaufnahme voller antisemitischer Texte ein.

Geschäftspartner unwissend

Um 2003 sollen sich die Pork Hunters in Pride’n’Pain umbenannt haben. Burandt wechselte damals ans Mikrofon und begann, Gitarre zu spielen. Erst 2008 gelang es der Truppe, ihr erstes Studioalbum aufzunehmen. Die zweite Gitarre übernahm ein ehemaliges Mitglied der gleichsam einschlägig bekannten Band Faustrecht, für die Burandt ebenfalls zeitweilig spielte. Als er 2016 Schweinemast und Biogasanlage übernahm, veröffentlichte er auch das zweite Studioalbum von Pride’n’Pain beim Allgäuer Neonazilabel Oldschool Records – auch dieses angesiedelt im Umfeld von Voice of Anger.

Rechtsextremismus: Selbstdarstellung von Pride'n'Pain im Booklet ihrer 2008 veröffentlichten Platte Loud and Proud.
Selbstdarstellung von Pride’n’Pain im Booklet ihrer 2008 veröffentlichten Platte Loud and Proud

Seine Geschäftspartner wissen von alledem nichts: „Der kommt alle paar Wochen vorbei und holt die Ware ab, zahlt immer zuverlässig. Aber aufgefallen ist mir da nichts“, erzählt einer der Lieferanten des Lutzhofes in breitem Schwäbisch. Die meisten äußern sich ähnlich: Tätowiert sei er, und man sehe schon mal Totenköpfe oder Ähnliches auf seinen Klamotten, aber daraus ließe sich ja noch nichts zu seiner politischen Einstellung ableiten.

Für Voice of Anger ist die Bürgerlichkeit das Erfolgsgeheimnis schlechthin. Die Vorzeigenormalität ist laut den Recherchen von Allgäu ⇏ rechtsaußen der fundamentale Unterschied zu den vorhergehenden Organisationen und dürfte erheblich zur Stabilität der rechtsradikalen Skinheadszene im Allgäu beitragen. So konnte sich die Gruppe bislang recht ungestört etablieren und ihre Ressourcen vergrößern.

Konzerte im eigenen Haus

Mehrere Immobilien befinden sich inzwischen in der Hand der Skinheads. Dort veranstalten sie einschlägige, teils verbotene Konzerte und vertiefen ihre internationalen Verbindungen zu den militanten Netzwerken Blood & Honour und Hammerskins.

Auch Benjamin Burandt ist bis heute in der Szene unterwegs. Erst im vergangenen Jahr sah man ihn auf einem Voice-of-Anger-Konzert bei Aichstetten, südlich von Memmingen. Gerne hätten die Rechercheure ihn gefragt, wie ihm das Netzwerk von Kunden und Zulieferern, das er als landwirtschaftlicher Unternehmer aufbaut, auch politisch nützt. Doch für eine telefonische Anfrage war er wochenlang nicht zu erreichen. Der braune Landwirt, so scheint es, hat gut zu tun.

Der vorliegende Text ist ein erweiterter Auszug aus dem Kapitel „Der Nette Nazi von nebenan?“ der Publikation „Voice of Anger und der rechte Untergrund im Allgäu“. Darin beschäftigt sich die Redaktion von „Allgäu ⇏ rechtsaußen“ mit der Frage, wie gefährlich die Neonaziszene ganz im Süden Deutschlands wirklich ist – und wie tief ihre Strippenzieher in ein militantes Untergrundnetzwerk eingebunden sind. Die Recherche erscheint am 26. März. Wer mehr über den braunen Sumpf im grünen Allgäu erfahren will, kann sie bereits vorbestellen.

Der Beitrag Bayerisch radikal erschien zuerst auf Störungsmelder.

Propagandaschmiede im Kurort

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Aus einem Kneippheilbad im Allgäu vertreibt ein Neonazi rechtsradikale Musik und Kleidung in die ganze Welt. Im Ort interessiert sich niemand wirklich dafür.

Von Sebastian Lipp

Neonazi in Bad Grönenbach: Propagandaschmiede im Kurort
Nicht alles an der Marktgemeinde Bad Grönenbach passt zu dem idyllischen Bild, das ihre Marketingabteilung zeichnet (CC BY-SA 4.0 Flodur63).

„Die richtige Balance für Körper, Geist und Seele“: So wirbt die Marktgemeinde Bad Grönenbach im idyllischen Allgäu um Kurgäste. Ein „Urlaubsort mit Weitblick“ will das beschauliche Kneippheilbad mit 5.600 Einwohnerinnen und Einwohnern sein. Doch nicht alles am Ort passt zu dem Bild. Gerade einmal eine Gehminute vom Bahnhof entfernt hat sich ein Unternehmen eingemietet, das als weltweiter Vertrieb für rechtsextreme Propaganda fungiert.

Als im Sommer ein Team aus Journalistinnen und Journalisten recherchiert, stehen zwei schwere Motorräder vor dem Gebäude, daneben drei Männer: schwarze Hoodies, Glatzen, Vollbärte. „Ihr braucht gar nicht näherkommen!“, schreit einer den Reportern entgegen. Es ist Benjamin Einsiedler. Er führt das Geschäft, in das sich die Männer flüchten. Die Tür knallt ins Schloss und wird abgesperrt.

Neonazi in Bad Grönenbach: Propagandaschmiede im Kurort
Die Betriebsräume von Oldschool Records © Norbert Kelpp

Vermeintlich unauffälliges Unternehmen

Kurz darauf spricht ein Mechaniker vom Kfz-Betrieb im gleichen Gebäude die ungebetenen Besucher an. Er wisse, dass Einsiedler für seine Autowerkstatt Shirts und Werbefolien bedrucke, sagt er. Das allerdings ist nur ein Teil – der, den die Bürgerinnen und Bürger in Bad Grönenbach mitbekommen. Die Firma namens Oldschool Records ist zugleich ein Plattenlabel für rechtsextreme Musik und Modevertrieb für Anhänger neonazistischen Gedankenguts. So werden aus Bad Grönenbach etwa Platten und Shirts von Musikern aus dem Umfeld des in Deutschland verbotenen Blood-and-Honour-Netzwerks verschickt. Darunter etwa Skrewdriver oder Eigenproduktionen des Allgäuer Naziurgesteins Faustrecht und sogar solche, in denen die Terrorgruppe NSU besungen wird.

Während des Gesprächs mit dem Mechaniker kommen zwei der Männer aus der Tür von Einsiedlers Unternehmen und besteigen die Motorräder. Ihre Halstücher über die Nase gezogen, knattern sie lautstark davon. Der Zaungast sagt, über die Nachbarn habe man keine Beschwerden. Ihm sei „nicht aufgefallen, dass da offensichtlich irgendwelche rechten Sachen“ passieren, fügt er in breitem Dialekt hinzu.

Neonazi in Bad Grönenbach: Propagandaschmiede im Kurort
Neonaziplattenproduzent Benjamin Einsiedler besucht in Begleitung von Anhängern der Neonazikameradschaft Voice of Anger ein Rechtsrockfestival im Juli 2017. © Exif Recherche

Tatsächlich ist das Unternehmen tief verstrickt in die rechtsextreme Szene des Allgäus – namentlich das Netzwerk Voice of Anger. Die Gruppierung hat ihre Wurzeln in der örtlichen Skinheadszene der Neunzigerjahre. Damals fielen in der Region Skinheads mit brachialen Überfällen auf vermeintliche Ausländer und andere Feindbilder auf. Die Gruppe, die sich damals noch Skinheads Allgäu 88 nannte, wurde verboten. Doch sie verschwand nicht, benannte sich um, formierte sich neu – heute laufen die Fäden bei Voice of Anger zusammen.

Im professionellen Neonaziuntergrund

Das Netzwerk bietet der Neonaziszene im Allgäu seit über 15 Jahren eine professionelle Struktur und verfügt über mehrere Immobilien. Benjamin Einsiedler gilt als Führungsfigur. Mit Oldschool Records betreibt er den kommerziellen Arm der Szene. Bereits vor rund zehn Jahren vertrieb er Tonträger und Textilien. Nach einer Razzia im Skinheadmilieu ermittelte die Staatsanwaltschaft 2009 gegen die Gruppe wegen Volksverhetzung, Geldwäsche und Schwarzarbeit.

Neonazi in Bad Grönenbach: Propagandaschmiede im Kurort
Schlagstöcke und Nazirock – bei der Oldschool-Records-Razzia 2014 sichergestellte Gegenstände © Polizei

2014 kam es zur nächsten groß angelegten Razzia im Allgäu. Die Polizei meldete damals, über 900 Straftaten durch Produktion und internationalen Versand von Tonträgern und Textilien festgestellt zu haben. „Polizei zerschlägt Neonaziversand“, titelte die Lokalzeitung damals. Doch davon kann keine Rede sein: Die Staatsanwaltschaft dampfte das Verfahren ein und Einsiedlers Anwalt führte die Behörde vor, während das Gericht im Urteil mit Thesen von Rechtsradikalen argumentierte – und den Labelbetreiber freisprach. Das Oberlandesgericht München hob den Freispruch später auf und verwies das Verfahren zurück ans Landgericht Memmingen. Unterdessen läuft das braune Geschäft weiter.

„Das ist mir ganz neu“

In Bad Grönenbach scheinen weder Einsiedlers Umtriebe noch die juristischen Folgen große Wellen geschlagen zu haben. Bürgermeister Bernhard Kerler (CSU) sagt, er habe zwar gehört, dass es Gerichtsverfahren gegen das Unternehmen gab, diese aber nicht verfolgt. Unzulässige Aktivitäten seien Sache von Polizei und Staatsanwaltschaft – „wir als Gemeinde sind da sicher nicht zuständig“.

Auch in der Nachbarschaft ist Benjamin Einsiedler ein Begriff. Man kennt ihn, aber wie genau der junge Rechtsrockunternehmer seinen Lebensunterhalt bestreitet, weiß kaum jemand – oder will es nicht wissen. Die Gespräche drängen den Eindruck auf, dass hier einfach weggeschaut wird.

Im Gemeinderat sei Oldschool Records ebenfalls nie ein Thema gewesen, sagt Judith Schön, die Chefin der örtlichen SPD-Fraktion. Sie selbst habe nicht gewusst, dass es das Unternehmen noch gibt: „Die hängen das ja auch nicht raus hier am Ort.“ Schön glaubt, dass die Polizei das Problem im Griff hat.

Unauffälligkeit als Erfolgsrezept

Sich zu tarnen gehört zum Erfolgsrezept der Allgäuer Szene. Ein Szenegänger etwa mimt den netten Landwirt von nebenan, ein anderer betrieb eine hippe Event-Location in einer ehemaligen Kirche und Benjamin Einsiedler verzichtet auf Neonazibanner an seinem Firmensitz. Dafür lässt er sich das braune Geschäft mit Aufträgen aus der Nachbarschaft subventionieren.

„Egal ob Bürgermeister, Gemeinderat oder Anwohnerinnen und Anwohner, man muss ganz klare Kante zeigen und sagen: Wir wollen das nicht haben“, sagt Petra Krebs im Gespräch mit dem Störungsmelder. Die Grünen-Abgeordnete im Landtag von Baden-Württemberg kämpft im benachbarten Landkreis Ravensburg mit Voice of Anger, wo die Gruppe zuletzt zwei große Konzerte ausrichtete. Eines davon hatten die bayerischen Behörden eigentlich verboten. Doch dort konnten die Neonazis unbehelligt feiern.

Als Reaktion hat sie ein Bündnis gegründet, mit dem sie in dem Landkreis gegen die Verbreitung von Neonazipropaganda, die Konzerte von Voice of Anger und rechtsradikale Straftaten vorgehen will. Dazu will sie auch Behörden und Kommunen in die Pflicht nehmen. „So etwas bräuchte es auch in Bad Grönenbach“, sagt Krebs.

Rechter Plattenproduzent erneut vor Gericht

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Ein Allgäuer Unternehmer soll volksverhetzende Musik vertrieben haben. Vor Gericht kam er mit einem Freispruch davon. In einem neuen Anlauf könnte der Fall jedoch ganz anders für ihn ausgehen.

Von Sebastian Lipp

Rechtsextremismus: Neonazi-Plattenproduzent Benjamin Einsiedler und sein Verteidiger Alexander Heinig
Plattenproduzent Benjamin Einsiedler und sein Verteidiger Alexander Heinig im April 2018 © Sebastian Lipp

Das Oberlandesgericht München wählte scharfe Worte: „Ohne jegliche Systematik, Subsumtion und Prüfungsdarlegung“ habe ein Gericht im Allgäu den rechtsextremen Musikproduzenten Benjamin Einsiedler vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Die Münchner kassierten damit im April 2019 ein Urteil des Landgerichts Memmingen vom Mai 2018. Ab diesem Freitag muss sich Einsiedler deshalb ein weiteres Mal verantworten, vor einem anderen Richter.

Der Fall des Neonazi-Unternehmers reicht ins Jahr 2014 zurück, als Ermittler sein Plattenlabel Oldschool Records durchsuchten. Dabei stellten sie unter anderem Schlagstöcke und indizierte Rechtsrockmusik sicher. Die Polizisten zählten mehr als 900 Straftaten, die Staatsanwaltschaft fasste den Fund mit 88 Anklagepunkten zusammen und beschuldigte Einsiedler des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, Belohnung und Billigung von Straftaten.

Rechtsextremismus: Schlagstöcke und Nazirock – bei der Oldschool Records-Razzia 2014 sichergestellte Gegenstände (Bild: Polizei)
Schlagstöcke und Nazirock – bei der Oldschool-Records-Razzia 2014 sichergestellte Gegenstände (Bild: Polizei)

Staatsanwaltschaft vorgeführt

Angesichts der Vielzahl an Beweisstücken ein scheinbar klarer Fall. Vor Gericht aber wurde es juristisch fragwürdig. Beim ersten Prozess 2016 ließ sich die Ermittlungsbehörde von Einsiedlers Verteidiger Alexander Heinig am Amtsgericht Memmingen vorführen. Viele Anklagepunkte scheiterten an der schlechten Vorbereitung der Staatsanwaltschaft.

Die nächste Schlappe erlitten die Ankläger 2018 im mittlerweile kassierten Berufungsprozess im Landgericht. Szenekenner bemängelten, dass der Vorsitzende Richter Herbert Krause eine kritische Distanz zur politisch gefärbten Argumentation von Szeneverteidiger Heinig vermissen ließ. So argumentierte Krause, dem Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden, mit dem Vertrieb einer CD der Band Hauptkampflinie vorsätzlich Volksverhetzung begangen zu haben.

Der Plattenproduzent – ein Musiklaie?

Einsiedler hatte das Lied mit dem Titel Ein junges Volk steht auf von der Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl prüfen lassen. Diese hatte das Werk als unbedenklich eingestuft, obwohl das von einem führenden Funktionär der Hitlerjugend geschriebene Original laut Gericht im Nationalsozialismus zum „Pflichtliederkanon“ gehört habe und auf zentralen Parteiveranstaltungen gesungen wurde. Richter Krause argumentierte, Einsiedler habe auf das Gutachten vertrauen dürfen. Für Laien sei es nicht als verbotenes Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation zu erkennen.

Rechtsextremismus: „Es gibt kein recht auf Nazipropaganda!“ Das skandieren Nazigegner zum Prozessauftakt gegen Oldschool Records am 17. April 2018 vor dem Landgericht Memmingen. © N. Kelpp
„Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“ Das skandieren Nazigegner zum Prozessauftakt gegen Oldschool Records am 17. April 2018 vor dem Landgericht Memmingen. © N. Kelpp

Deshalb sei das Gesetz, das die Verwendung solcher Kennzeichen unter Strafe stellt, selbst „problematisch“, so der Richter. Damit argumentierte er ganz im Sinne von Anwalt Heinig.

Anders sahen das die Münchner Richter im Revisionsprozess: Das Landgericht hätte Einsiedler nicht aufgrund bloßer Behauptungen des Angeklagten, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gäbe, freisprechen dürfen. Das neue Tatgericht werde anerkennen müssen, dass Einsiedler als langjähriger Neonazi-Unternehmer „gerade kein Laie ist und ihn als Gewerbetreibenden erhöhte Sorgfaltspflichten treffen“.

Neuer Blick auf umstrittenes Gutachten

Im neuen Prozess in Memmingen werden sich die Richter auch ein weiteres Mal das strittige Gutachten „mit Blick auf die Person und die Hauptgeschäftstätigkeit“ von Anwältin Gisa Pahl ansehen müssen. Deren Kanzlei, das Deutsche Rechtsbüro, soll zu den Empfängern von Spendenbriefen des NSU gehören.

Die Revision hatte seinerzeit die schwer unterlegene Staatsanwaltschaft angestoßen. Bis Ende Januar soll nun ein neues Urteil des Memminger Landgerichts fallen. Dann wird sich herausstellen, ob es den Neonazi-Unternehmer und Szeneführer Einsiedler beeindrucken kann. Seit Jahren betreibt er seine Propagandaschmiede im Kurort Bad Grönenbach weitgehend unbehelligt.

Die juristische Waffe der Neonazis

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Die Szene wollte sie geheim halten: Gutachten gewähren erstmals umfassend Einblick in eine Strategie, auf die Neonazis für eine straffreie Verbreitung von Propaganda setzen. Damit könnte nun Schluss sein.

Von Sebastian Lipp

Propaganda: Das Urteil dürfte den Neonaziplattenproduzenten kaum beeindrucken: Während das Verfahren von über 900 Straftaten auf nur wenige Tonträger zusammenschrumpfte, setzte er über eine halbe Million Euro um. Dafür könnten nun eine Strategie der Neonazis erledigt sein.
CDs aus dem Plattenvertrieb des Angeklagten liegen im Prozess auf einem Tisch. © Sebastian Lipp

Findige Geschäftsleute aus der Neonaziszene tauschen längst nicht mehr nur Rechtsrock-Platten, Klamotten und Devotionalien aus. Auch juristisch spricht man sich ab: „Gutachten der Rechtsanwältin Pahl liegt vor“, ist etwa auf internen Bestandslisten vermerkt, wenn Szenehändler sich gegenseitig mit Propagandamaterial versorgen. Worum es geht, soll allerdings geheim bleiben: „Ganz wichtig zu den Gutachten: Nicht aus der Hand geben. Nur das Deckblatt zeigen. Nicht das, was die Pahl geschrieben hat“, wies der Chef der Propagandaschmiede Oldschool Records, Benjamin Einsiedler, telefonisch einen Kameraden an.

Das überwachte Gespräch war Gegenstand eines Prozesses, der erstmals offenlegte, wie akribisch sich die Szene vorbereitet, um Strafen zu entgehen. Im Kern geht es dabei um Schriftsätze der Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl. Bislang ging die Strategie auf: So sprach das Landgericht Memmingen den Plattenproduzenten Einsiedler im Mai 2018 in zweiter Instanz unter anderem vom Vorwurf der Volksverhetzung durch die Verbreitung von rechtsextremer Musik frei. Das Gericht glaubte der Behauptung des Angeklagten, dass er im guten Glauben auf die Musik-Gutachten der Anwältin vertraut habe.

Szene-Gutachten als Freibrief?

Was die Szene zunächst als Freibrief für Nazipropaganda feiern durfte, kassierte das Oberlandesgericht München. Die Richter wiesen das Landgericht Memmingen an, das Verfahren mit einem anderen Richter neu aufzurollen und die Gutachten zu prüfen. Das taten die Memminger – und verurteilten Einsiedler wegen des Vertriebs von fünf CDs in der vergangenen Woche zu 100 Tagessätzen von je 40 Euro, also einer Gesamtgeldstrafe von 4.000 Euro.

In der Neuverhandlung gelangten die Gutachten im Januar erstmals an die Öffentlichkeit. So schrieb Anwältin Pahl zu dem Lied Geschwür am After der Band Gigi und die braunen Stadtmusikanten, in dem Titel werde zwar von Lügen bei der Geschichtsschreibung, Schienen und Eingangstoren gesprochen. „Es bleibt aber offen, welche Lügen, Schienen und Tore. Mangels irgendwelcher Hinweise ergibt sich nicht, dass mit diesen Äußerungen die KZs gemeint sein müssen.“ Daher seien die Äußerungen mehrdeutig und eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung liege nicht vor.

Propaganda: Der Neonazi-Plattenproduzent Benjamin Einsiedler besucht in Begleitung von Mitgliedern der Band Act of Violence (AoV) und bekannten Anhängern der Neonazikameradschaft Voice of Anger (VoA) das RechtsRock-Festival am 29. Juli 2017 in Themar. © EXIF Recherche
Neonazi-Plattenproduzent Benjamin Einsiedler 2017 auf dem Rechtsrock-Festival im thüringischen Themar © EXIF Recherche

Im Lied Goebbels für alle kann Pahl laut Gutachten ebenfalls keine Straftat erkennen. Die Zeilen „Ich war immer schon ein Fan von seinen Thesen (…) Wir bleiben Joseph Goebbels treu“ seien keine nationalsozialistische Propaganda, denn das Lied beziehe sich auf das Projekt Zeitungszeugen. Diese gedruckte Sammeledition stellt die Presselandschaft in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus dar. Der Text befasse sich mit dem Umstand, dass die Abdrucke für Diskussionen sorgten. Das Lied sei „humoristisch und ironisch“ und habe mit einer Huldigung an NS-Propagandaminister Goebbels nichts zu tun, argumentierte auch Rechtsanwalt Alexander Heinig, der Benjamin Einsiedler vor Gericht vertrat.

Nazi-Ideologie mehrdeutig verpackt

Neonazistische Händler, Musiker und Rechtsanwälte „setzen auf die doppelte Interpretierbarkeit beziehungsweise auf ein bestimmtes Maß an Vagheit der Liedtexte, um eine Strafbarkeit zu umgehen“, sagt Timo Büchner im Gespräch mit dem Störungsmelder. Der Soziologe studiert seit Jahren, wie sich die Sprache der extremen Rechten ändert. In seinem 2018 erschienen Buch Weltbürgertum statt Vaterland untersuchte er, wie der Antisemitismus im modernen Rechtsrock inzwischen verschlüsselt dargestellt wird. So hofft die Szene einerseits, nur schwer belangt zu werden – und gleichzeitig knallharte neonazistische Ideologie verbreiten zu können, die bei den Hörern dennoch ankommt.

Rechtsrock: Schlagstöcke und Nazirock – bei der Oldschool Records-Razzia 2014 sichergestellte Gegenstände (Bild: Polizei)
Schlagstöcke und Nazirock – bei der Oldschool-Records-Razzia 2014 sichergestellte Gegenstände © Polizei

Büchner weist darauf hin, dass das Album Adolf Hitler lebt neben Goebbels für alle und Geschwür am After auch „das berühmt-berüchtigte Lied Döner-Killer“ enthält – ein Bezug auf die Morde der Terrorgruppe NSU. „Denn neun sind nicht genug“, heißt es am Ende des Stücks, das vor der Selbstenttarnung des NSU veröffentlicht wurde. Das von Gisa Pahl als Koordinierungsstelle für neonazistischen Rechtsbeistand geschaffene Deutsche Rechtsbüro soll einen Spendenbrief vom NSU erhalten haben.

„Vorreiterurteil gegen rechtsextreme Liedtexte“

Für das Gericht stellte sich der Fall im zweiten Anlauf ziemlich eindeutig dar. „Die sogenannten Rechtsgutachten“ der Anwältin seien „nicht nachvollziehbar“. Das Lied Goebbels für alle enthält demnach keine ironischen Zweideutigkeiten, sondern verherrliche die Gewalt- und Willkürherrschaft der Nationalsozialisten, indem dessen zentrale Figur Joseph Goebbels bewundert und ihm die Treue geschworen wird. Mit Geschwür am After werde der industrialisierte Massenmord an den europäischen Juden als „Lüge“ geleugnet. Und auch mit der Rede von Schienen und einem Tor könne nur die Außenansicht eines KZs gemeint sein.

Für Soziologe Büchner ist die Entscheidung von „bahnbrechender Qualität“: Als „Vorreiterurteil gegen rechtsextreme Liedtexte“ könne es Szenehändler erheblich treffen. Plattenproduzent Einsiedler allerdings dürfte die 4.000 Euro Geldstrafe gut verkraften. Sein Label verzeichnet nach eigener Aussage einen Jahresumsatz von 130.000 Euro.

Der Hass aus unserer Mitte

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Die Wurzeln von rassistischem Terror liegen mitten in der Gesellschaft, meint Historiker Wolfgang Benz. Ein Aufruf an uns alle, die Ursachen eben dort zu bekämpfen.

Von Sebastian Lipp

Rechtsterrorismus
Gedenken an die Opfer des Anschlags von Hanau im Februar 2020 © dpa/Nicolas Armer

Charleston 2015, München 2016, Pittsburgh 2018, Christchurch, Kassel und Halle 2019, Hanau 2020: Hinter den Schlagworten verbergen sich Terroranschläge aus rassistischen und antisemitischen Motiven. Die Zahl der Taten nimmt zu, weltweit und auch in Deutschland steigt die Zahl ihrer Todesopfer.

Auch das Profil der Täter verändert sich: Den 80er-Jahren entstammen Rechtsterroristen aus Wehrsportgruppen, in den 90ern politisierten sich die Neonazi-Skinheads des NSU in der Rechtsrockszene. Ein relativ neuer Typus sind äußerlich unscheinbare, in den Resonanzkammern des Internets scharf gemachte Täter. Das zeigt eine Studie des Historikers Wolfgang Benz: Vom Vorurteil zur Gewalt. Benz, langjähriger Professor an der Technischen Universität Berlin, hat die schwersten Hassverbrechen der vergangenen Jahrzehnte und ihre Urheber analysiert. Er will eine Antwort finden, wie die Gesellschaft den Taten begegnen kann.

Egoismus statt Solidarität

Die Hassverbrechen haben demnach viele Gemeinsamkeiten: die vermeintliche Einzeltäterschaft, einen Vernichtungswunsch, der auf Ressentiments beruht, eine Öffentlichkeit heischende Botschaft. Diesem Schema folgte der Anschlag des Norwegers Anders Breivik von 2011 mit 77 Toten, auf den sich Nachfolger beriefen.

Benz plädiert gegen Reflexe, die Ursache für das Unglück bei den Opfern zu suchen, etwa, weil diese vermeintlich nicht mit der Lebensweise der Mehrheit konform gehen. Tatsächlich müsse die Ursachenforschung in der Mehrheitsgesellschaft beginnen. Trägerschichten ausgrenzender, menschenfeindlicher Einstellungen sind demnach nämlich „die besseren Stände, die mittleren und höheren Schichten, die Tugenden des Bürgers wie Toleranz und Solidarität zugunsten des eigenen Fortkommens oder im Interesse des Statuserhalts frohgemut den Abschied gegeben haben“.

Sie plage ein Gemenge von Unsicherheit und Angst, von Ratlosigkeit und Unverständnis gegenüber rasanten und komplexen Veränderungen der Welt. Diese Gemengelage bilde den Nährboden für Demagogie und Hetze. „Anlass, nicht Ursache, bilden die Opfer, die als ‚Fremde‘ stigmatisiert“ zum Feindbild würden, analysiert Benz.

Täter aus dem Bürgertum

Als ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung in Berlin beschäftigt sich der 79-Jährige seit Jahrzehnten mit der Frage, wie aus Ressentiments Feindbilder werden, die in Hass umschlagen, der sich wiederum zu Massengewalt, zum Krieg und zum Völkermord steigert. Benz richtet sich mit seinem Band ausdrücklich nicht nur an ein Fachpublikum – im Gegenteil.

Schließlich wurden bei den großen Ausschreitungen der 90-er Jahre wie in Hoyerswerda und Rostock normale Bürger zu Erfüllungsgehilfen der Demagogen: „Als seien sie persönlich bedrängt, als würden sie individuell zur Kasse gebeten, als gäbe es eine fundamentale Bedrohung der Wohlstandsgesellschaft, randalierten Bürger nächtelang vor Flüchtlingsunterkünften, grölten ausländerfeindliche Parolen, stießen Morddrohungen aus, übten Gewalt.“ Und im Jahr 2015, als etwa 700 Wohnheime für Asylsuchende angezündet wurden, sei Brandstiftung zum „Volkssport“ ausgeartet. Die Täter kämen überwiegend aus der bürgerlichen Gesellschaft.

Die Politik indes habe versagt, weil sie das Gewaltpotential unterschätzte – und „glaubte, bedrückten Bürgern Verständnis entgegenbringen zu müssen“. Die Angst vor einer vermeintlichen Überfremdung sieht Benz heute weiter verbreitet denn je – befeuert auch durch eine stetig wachsende Bereitschaft, Legenden und Gerüchten Glauben zu schenken. Das gelte auch für den rechtsterroristischen Tätertypus, der in den vergangenen Jahren aufkam. Diese Angreifer radikalisierten sich „im hermetischen Raum individuellen Konsums sozialer Medien“. Darin saugten sie die Hassbotschaften der Ideologen auf – und kaum davon zu trennen auch den Auftrag zur Gewalt.

Hassbotschaften, ideologisch aufgeladen

Ohne diese dort verbreitete „Mordhetze“ wären die jüngsten Terroranschläge gegen Kirchen, Synagogen oder Moscheen für Benz kaum vorstellbar. Insofern gebe es keine „Einzeltäter, die isoliert von aller Welt wüten“. Damit trügen die Ideologen und Scharfmacher einen erheblichen Teil der Verantwortung für diese Verbrechen. Das gelte auch und gerade für die AfD.

Was bedeutet das für eine Gesellschaft? Die Ursprünge der terroristischen Angriffe reichen laut Benz „vom stillen Vorbehalt bis zum flammenden Hass“. Werden sie ideologisch aufgeladen, entladen sie sich zunehmend durch Gewalt. Und dagegen helfe weder mehr Geschichtsunterricht noch verordneter Gedenkstättenbesuch. Die Forderungen, das Übel dergestalt zu bekämpfen, sind für Benz „lediglich Chiffren der Hilflosigkeit.“

Vom Vorurteil zur Gewalt ist eine fundierte Analyse der dumpf-wahnhaften Reflexe auf Geraune aus dem Internet, die wieder und wieder in Morde münden. Die einzig dauerhaft wirksame Gegenwehr sieht der Historiker in „Aufklärung, Bildung, Erziehung zur Demokratie und Bestärkung in der so gewonnenen Haltung. Das ist ein mühsamer Weg, ein dauernder Auftrag, der langen Atem und Stetigkeit von allen Beteiligten verlangt“ – sowie unbedingte Solidarität und Empathie mit den Betroffenen, möchte man ergänzen. Die Studie ist ein flammender Appell, sich diesem Auftrag zu verpflichten.

Wolfgang Benz: „Vom Vorurteil zur Gewalt. Politische und soziale Feindbilder in Geschichte und Gegenwart“. Herder, Freiburg 2020; 480 S., 26.- €, als E-Book 20.- €

Rassenlehre auf dem Bauernhof

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Anhänger einer esoterischen Bewegung wollen die Landwirtschaft umkrempeln. Doch hinter ihrer Vision stecken Rassismus und Verschwörungstheorien.

Von Sebastian Lipp

Der Mutterhof im beschaulichen Unterthingau © Sebastian Lipp

Felder und Wälder, die sattgrüne Weite des Allgäus. Eine Familie in Hippie-Klamotten, die Räder auf einer Wiese schlägt. Das Werbevideo des Mutterhofs im ostallgäuischen Unterthingau platzt vor Naturromantik. Zwischen den kitschgeladenen Bildern taucht Inhaber Robert Briechle mit wallendem Haar und langem Bart auf. Er redet von seinem Ziel eines „bedürfnisorientierten, glücklichen Lebens aus und in der Fülle“ dank nachhaltiger Landwirtschaft.

Für diese Vision, ein Konzept namens Permakultur, sucht Briechle Mitstreiter – und Spenden. Doch was im Werbevideo als Pionierprojekt für den ökologischen Wandel daherkommt, ist in Wahrheit geschickt verpackte braune Esoterik. Der Mutterhof hat sich einer Ideologie verschrieben, die als Anlaufpunkt für Anhänger von Rassenlehre und Reichsbürgerthesen gilt. Das animierte den Verfassungsschutz bereits vor zwei Jahren, ein Auge auf den Betrieb zu werfen.

Bauer Briechle ist Vertreter der Anastasia-Bewegung, die den Ideen einer Romanreihe des russischen Autors Wladimir Megre folgt. Esoterisch aufgeladen wird darin von der mystischen Heilsbringerin Anastasia erzählt. Rassistische, antisemitische und verschwörungsideologische Aussagen sind in eine scheinbar ökologische Utopie eingebunden.

„Was der Führer gesagt hat“

Was das für die Mitstreiter bedeutet, wird in einem aufgezeichneten Gespräch deutlich, das Briechle Ende Juli mit dem Brandenburger Neonazi Frank Willy Ludwig führte. Der Landwirt redet darin über seine „Aufgabe für den Stamm, für das Volk, für das Heil der Erde und das Heil der Wesen auf der Erde“. Am Ende des Gesprächs spricht Ludwig von einer „Verantwortung der weißen Rasse“. In einer seiner Schulungen, die auch Briechle durchlaufen hat, gab er unter anderem diese Parole aus: „Kümmert euch um eure Frau. Zeugt Kinder. Schafft euch einen Garten an, fertig. Das ist es doch, was der Führer auch gesagt hat. Blut und Boden. Kraft durch Freude.“

Unter dem quasi-religiösen Überbau der Anastasia-Bewegung sammeln sich nicht nur harmlose Träumer, die ihre sogenannten Familienlandsitze im Einklang mit Ahnen und Natur aufbauen wollen. Im Öko-Anzeigenblatt Nachhaltiges Allgäu ergänzt ein Autor 2013 einen Bericht über eine Veranstaltungsreihe auf dem Mutterhof mit den Worten: „Quintessenz: Den Rechtsstaat BRD gibt es nicht und damit auch keine Demokratie in Deutschland.“ Reinstes Reichsbürger-Gedankengut.

Seit Jahren teilen Bewohner des Mutterhofs online rechte Propaganda. Briechle behauptete unterdessen, er sei kein Anastasia-Anhänger. Zugleich stellt er jedoch infrage, dass sich hinter der Buchreihe überhaupt eine rassistische und antisemitische Gedankenwelt verbirgt.

Im Ort bröckelt die Unterstützung

In der Gegend spricht sich langsam herum, was es mit dem Mutterhof auf sich hat. „Das möchten wir in keiner Weise unterstützen“, sagt etwa der Geschäftsführer eines Unternehmens, der anonym bleiben will. Von der Recherche sei er überrascht, denn Briechle habe ihm gegenüber „nie eine Ideologie verbreitet“. Der Bauer locke „viele Jüngere an, die Alternativen suchen“. Viele dieser jungen Menschen schätzt der Unternehmer „sogar eher links“ ein; sie merkten anfangs nicht, was hinter dem Traum vom ökologischen Leben steht. Ebenso zurückgezogen hat sich ein Tonstudio, das einst für den Mutterhof arbeitete.

Tatsächlich kommt das Projekt jedoch gerade in Ökokreisen weiterhin an. Auf dem Hof betreibt Briechle den rege genutzten Wochenmarkt des Dorfes. Im Imagefilm ist zu sehen, wie eine große Zahl Schüler, Studierende und andere an Kursen des Mutterhofs teilnehmen. Auch außerhalb hält der Inhaber Vorträge über Permakultur und die Idee des Mutterhofs mit seinen Familienlandsitzen.

Auch die Regionale Wirtschaftsgemeinschaft Allgäu, in der sich ökologische Projekte der Region zusammengeschlossen haben, lädt Briechle regelmäßig zu Seminaren ein. Bemerkenswert ist das schon, weil sich die Genossenschaft laut Statut auf ihrer Website für den „Frieden und die Harmonie unter uns sowie mit den Menschen, mit denen wir Berührung haben“ einsetzt. Allerdings übernehme man „keine Verantwortung für die Weltanschauung unserer Mitglieder und Besucher“. Diese Erklärung habe man eigens wegen der „Anfeindungen“ gegen Robert Briechle veröffentlicht, heißt es auf Anfrage. Rechte Sprüche habe man von ihm nie gehört. Darauf vertraue man – „und nicht darauf, mit wem er eventuell Umgang pflegt“.

„Irgendwas mit Rassen“

Andere distanzieren sich bestenfalls halbwegs: „Ein enger Vertrauter bin ich schon lange nicht mehr“, sagt Jochen Koller, Herausgeber von Nachhaltiges Allgäu, über Briechle. Die beiden Permakultur-Enthusiasten galten als enge Vertraute. Und dennoch warb sein Magazin weiter für den Mutterhof. Die Ideen aus der Anastasia-Buchreihe beschreibt er weiterhin als maßgeblich für seine „Vision“.

Widerstand gibt es nur da, wo klare ideologische Grenzen existieren, wie bei der Genossenschaft Kulturland aus Niedersachsen. Sie kauft bundesweit Land, um es als Gemeingut für eine bäuerlich geführte ökologische Landwirtschaft zu sichern. Koller strebte jüngst eine Zusammenarbeit mit der Initiative an. Doch Kulturland beschloss: Es könne keine Kooperation geben mit rechten Siedlern, der Anastasia-Bewegung und „Initiativen, die eine ausdrückliche Stellungnahme zu fraglichen ideologischen Hintergründen – sei es aus Vorsatz oder aus Naivität – vermissen lassen“.

Andere bleiben dem Mutterhof gerade wegen der Idee dahinter treu – wie Daniel Oettermann, der im nahen Aitrang den Grasser Hof betreibt und saisonales Gemüse anbaut. Die Zusammenarbeit mit Briechle sei „unproblematisch“, sagt der Biobauer – „mit rechts hat das nichts zu tun“. Auch er habe die Anastasia-Bücher gelesen und finde sie gut: „Nur weil da mal irgendwas mit Rassen steht, heißt das ja nichts.“

Richter kassieren Freibrief für Neonazipropaganda

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Immer wieder standen Verkäufer von Neonazimusik wegen Volksverhetzung vor Gericht – und kamen dank zweifelhafter Gutachten frei. Ein neues Urteil macht Schluss damit.

Von Sebastian Lipp

Das Ende des langjährigen Gerichtsverfahrens gegen die Nazi-Propagandaschmiede Oldschool Records markiert das Ende einer juristischen Waffe der Neonazis: Eine Enttäuschung für den Plattenproduzenten Benjamin Einsiedler, seinen Rechtsanwalt Alexander Heinig - und ein Schlag für die gesamte Rechtsrockszene.
Plattenproduzent Benjamin Einsiedler mit seinem Rechtsanwalt Alexander Heinig vor Gericht © Sebastian Lipp

Mit einem juristischen Trick konnten sich findige Unternehmer aus der Neonaziszene bislang davor schützen, für Straftaten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Nahezu ungestört verkauften sie Rechtsrock-Platten, Klamotten, Devotionalien. Fanden sie sich doch einmal vor Gericht wieder, wegen Vergehen wie Holocaustleugnung oder Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, zogen sie ihre Waffe: die Gutachten einer Szeneanwältin. Darin wurde ihr Treiben als unbedenklich eingestuft.

Erst nach jahrelangem Gezerre in Verhandlungssälen dürfte nun endgültig Schluss mit dem Schlupfloch sein: Das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Verurteilung eines Allgäuer Neonazis bestätigt und das Gutachten zur Makulatur erklärt. Das Urteil fiel bereits im Dezember vergangenen Jahres, nun ist es öffentlich.

Ließen sich Richter zu leicht beeindrucken?

Der Fall zeigt, wie leicht sich Richter offenbar von Neonazis mit juristischer Beratung beeindrucken ließen. Die Unternehmer griffen zu Schriftstücken, die die Hamburger Anwältin Gisa Pahl verfasst hatte. „Gutachten der Rechtsanwältin Pahl liegt vor“, war dann etwa auf internen Bestandslisten zu brisanten Titeln vermerkt. Einer, der den Trick anwandte: der Chef des Allgäuer Vertriebs Oldschool Records, Benjamin Einsiedler.

Das Landgericht Memmingen sprach Einsiedler im Mai 2018 in zweiter Instanz unter anderem vom Vorwurf der Volksverhetzung durch die Verbreitung rechtsradikaler Musik frei. Das Gericht kaufte dem Angeklagten ab, er habe auf die Musik-Gutachten der Anwältin vertraut. Damit sei er schlicht einem Irrtum unterlegen, den er als juristischer Laie nicht habe vermeiden können, und ihn träfe keine Schuld.

Kurios dabei: Das Gutachten selbst schauten die Richter zunächst überhaupt nicht an. Darin setzte sich Anwältin Pahl etwa mit dem Lied Geschwür am After der Band Gigi und die braunen Stadtmusikanten auseinander. Demnach werde in dem Stück zwar von Lügen bei der Geschichtsschreibung, Schienen und Eingangstoren gesprochen. „Es bleibt aber offen, welche Lügen, Schienen und Tore. Mangels irgendwelcher Hinweise ergibt sich nicht, dass mit diesen Äußerungen die KZs gemeint sein müssen.“ Daher seien die Äußerungen mehrdeutig und eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung liege nicht vor.

Das Urteil dürfte den Neonaziplattenproduzenten kaum beeindrucken: Während das Verfahren von über 900 Straftaten auf nur wenige Tonträger zusammenschrumpfte, setzte er über eine halbe Million Euro um. Dafür könnten nun eine Strategie der Neonazis erledigt sein.
Asservierte CDs aus dem Plattenvertrieb liegen im Prozess auf dem Pult der Staatsanwaltschaft. © Sebastian Lipp

Auch in den Zeilen „Ich war immer schon ein Fan von seinen Thesen (…) Wir bleiben Joseph Goebbels treu“ eines anderen Liedes wollte Pahl keine nationalsozialistische Propaganda erkennen können. Die CD enthält zudem das berühmt-berüchtigte Lied Döner-Killer – ein Bezug auf die Morde der Terrorgruppe NSU. „Denn neun sind nicht genug“, heißt es am Ende des Stücks, das vor der Selbstenttarnung des NSU veröffentlicht wurde. Das von Gisa Pahl als Koordinierungsstelle für neonazistischen Rechtsbeistand geschaffene Deutsche Rechtsbüro soll einen Spendenbrief vom NSU erhalten haben.

Dem Musikverkäufer und Kameradschaftsführer Einsiedler muss klar gewesen sein, dass er mit solch eigenwilligen Interpretationen auf dünnem Eis steht. Er gab sich größte Mühe, den Inhalt des Gutachtens geheim zu halten. Einen Kameraden instruierte er am Telefon mit den Worten: „Ganz wichtig zu den Gutachten: Nicht aus der Hand geben. Nur das Deckblatt zeigen. Nicht das, was die Pahl geschrieben hat“. Die Polizei schnitt das Gespräch mit.

Erst als die Staatsanwaltschaft Memmingen den Freispruch für den Betreiber von Oldschool Records durch das Oberlandesgericht München prüfen ließ, begann die Auseinandersetzung um die Inhalte. Im April 2019 hoben die Richter den Freispruch auf – und stellten erstmals die Rechtsgutachten selbst infrage. Sie ordneten an, dass am Landgericht München ein anderer Richter erneut verhandeln und dabei auch die Gutachten untersuchen müsse. In der Neuverhandlung Ende 2019 wurde so erstmals der Inhalt offengelegt.

Gericht kassiert die Thesen

Das Landgericht fand schließlich zu klaren Worten: „Die sogenannten Rechtsgutachten“ der Anwältin seien „nicht nachvollziehbar“. Das Lied Goebbels für alle verherrliche durch den Treueschwur an Propagandaminister Joseph Goebbels die Herrschaft der Nationalsozialisten. Mit Geschwür am After werde der industrialisierte Massenmord an den europäischen Juden geleugnet. Und auch mit der Rede von Schienen und einem Tor könne nur die Außenansicht eines Konzentrationslagers gemeint sein. Einsiedler wurde wegen eines Teils seines Sortiments zu einer Geldstrafe von 4.000 Euro verurteilt.

Nach Angaben des Unternehmers ist das zwar nur ein Bruchteil seines Monatsumsatzes. Dennoch legte sein Verteidiger Alexander Heinig Anfang 2020 erneut Revision ein – ein riskanter Schritt, der sich nun ein Jahr später als fataler strategischer Fehler für die Rechtsrockszene erwies. Das Oberste Bayerische Landesgericht verwarf die Revision als unbegründet und bestätigte die Verurteilung letztgültig.

Damit ruinierte Heinigs Rettungsversuch in letzter Instanz nicht nur die Wirksamkeit der Gutachten als Freibrief für Nazipropaganda, sondern zudem noch die juristische Reputation seiner Kollegin. Die Münchner Richter sprechen der Gutachtenverfasserin ausdrücklich die Kompetenz ab. Pahls Gutachten als juristische Waffe der Neonazis sind damit Geschichte.


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